Ohne Klick zum Kauf: Messung von Post-View Conversions

Advertising Geschrieben von Oliver Kuhn

Oliver Kuhn

Senior Berater

Ohne Klick zum Kauf: Messung von Post-View Conversions

Braucht es im Onlinemarketing neue, ergänzende Abrechnungsmodelle? Der Grossteil der kontinuierlich wachsenden Schweizer Online-Werbeausgaben fliesst – abgesehen vom Suchmaschinen-Marketing – nach wie vor in die klassische Display-Werbung.  Generell wird dabei zwischen sogenannten Branding- und Performance-Platzierungen unterschieden.  Während die zumeist grossflächigen Branding-Platzierungen auf TKP-Basis verkauft werden, werden die kleineren Performance-Platzierungen nach dem sogenannten Cost-per-Click-Modell abgerechnet. Das bedeutet, es wird erst bezahlt, wenn tatsächlich ein Klick erfolgt.

Dieses Abrechnungsmodell ist insofern ungenau, als es andere Conversion-Möglichkeiten ausschliesst. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, sie sehen bewusst oder unbewusst ein Werbemittel, klicken zwar nicht darauf, zeigen später aber Interesse für das beworbene Produkt. Kann und darf eine solche Conversion diesem rein visuellen Werbemittelkontakt zugerechnet werden oder nicht? Die nachfolgende Analyse beleuchtet diese Frage, zeigt Schwierigkeiten, Interessenskonflikte, aber auch vielversprechende Lösungsansätze.

Bewertung von Post-View Conversions

Wahrscheinlich kennt der Grossteil der Spezialisten im Onlinemarketing die Unterscheidung zwischen sogenannten Post-Click und Post-View Conversions. Bei der Post-Click Messung zeigt der User nach einem tatsächlich erfolgten Klick auf ein Werbemittel der Kampagne Interesse (Lead-Abgabe) oder schliesst einen Kauf ab (Sales).

Ablauf einer Post-Click-Conversion-Messung
Grafik 1: Vereinfachter, schematischer Ablauf einer Post-Click Conversion-Messung (Eigene Darstellung).

Im Gegensatz zur Post-Click Messung steht die Post-View Messung. Bei dieser Form der Messung wird beim User bereits bei der Anzeige eines Werbemittels ein Cookie gesetzt, um etwaige, später erfolgende Conversions auf der Seite des Werbetreibenden zu messen 2.

Ablauf einer Post-View-Conversion-Messung
Grafik 2: Vereinfachter, schematischer Ablauf einer Post-View Conversion-Messung (Eigene Darstellung).

Marketingleute, die sich mit dem Thema Post-View Conversion-Messung auseinandergesetzt haben, verstehen, dass nur ein geringer Anteil der Internetbevölkerung als sogenannte «Klicker» klassifiziert werden. Dies impliziert, dass der Löwenanteil der User «Nicht-Klicker» sind 6. Eine ComScore-Studie aus dem Jahr 2009 besagt, dass nur 8% der Internet-User für 85% aller Klicks im Internet verantwortlich sind 9.

Die geringe Anzahl «Klicker» wiederum bedeutet, dass Online-Vermarkter zusätzlich zur reinen Post-Click Conversion-Messung ein anderes Zuordnungsmodell brauchen, um die Effektivität ihrer Kampagnen zu messen. Die Post-View Conversion-Messung bietet eine solche Alternative 6. Viele Fachleute sind deshalb der Meinung, dass Post-View Conversions unbedingt in die Messung miteinbezogen werden müssen, um das volle Potenzial von Display Advertising aufzuzeigen 7, 9). Dennoch ist die Methode in der Branche umstritten 4.
 

Zuordnung bei verschiedenen involvierten Vermarktern

Eine Problematik beim Post-View Conversion Tracking betrifft die Zuordnung zu den verschiedenen Vermarktern, falls mehrere vorhanden sind 6. Hat ein Nutzer Kontakte über mehrere Vermarkter und Online-Werbeformen gehabt, wie z.B. Google-AdWords, eine klassische Onlinekampagne oder über einen Affiliate, muss genau abgegrenzt werden, wer den Erfolg für sich verbuchen kann. Ein möglicher Weg mit den verschiedenen Kontaktpunkten einer Kampagne, den ein User bis zur Conversion zurücklegt, ist in der Grafik 3 abgebildet.

Online Customer Journey
Grafik 3: Vereinfachter, möglicher Ablauf einer Online Customer Journey vom ersten Werbemittelkontakt bis zur Conversion (Eigene Darstellung).

Gängige Regel ist «Last Cookie Wins» – der letzte Kontaktpunkt gewinnt und bekommt die Zuordnung der Conversion 1. Dies ist jedoch nur eine Variante von vielen beim sogenannten Attribution Modeling. In der Tabelle rechts (Tabelle 1) sind die vier gängigsten Zuordnungsmodelle und deren prozentuale Conversion-Verteilung auf die Werbemittelkontakte aufgelistet.
Läuft die Kampagne nur über einen Vermarkter fällt diese Schwierigkeit natürlich weg, da in diesem Fall das Cookie nur einem Vermarkter zugewiesen wird und der Abschluss entsprechend sauber zugeordnet werden kann. Die Problematik der Zuordnung zum Kanal bleibt jedoch bestehen.
 

Zuordnungsmöglichkeiten einer Conversion
Tabelle 1: Vier der gängigsten Zuordnungs-Möglichkeiten einer Conversion zu den verschiedenen Werbemittelkontakten (Eigene Darstellung).

Post-View Conversions mitberücksichtigen?

Wie schon in Kapitel 1 angetönt, scheiden sich die Geister, ob die Post-View Conversions tatsächlich mitberücksichtigt werden sollen oder nicht. Nachfolgend sind die wichtigsten Argumente Pro und Kontra einer Mitberücksichtigung aufgelistet. Die Argumente sind nicht als abschliessend zu betrachten.
 

Pro-Argumente Post-View Conversion Tracking

  • Eine gewisse Werbewirkung von Post-View Conversions ist unstrittig (obwohl diese geringer ist, als bei der Post-Click Conversion Messung).
  • User tendieren dazu, weniger auf Display Ads zu klicken, als auf Text-Anzeigen wie beim Google Search-Netzwerk, weil sie auf einer Content-Seite nicht nach einem spezifischen Produkt suchen wie bei Google 10.
  • Post-View Conversion-Daten können, zusätzlich zu den Post-Click Conversion-Daten, helfen die Werbemittel zu optimieren, indem gemessen werden kann, welche Platzierungen am besten performen. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Post-Click Conversion-Optimierung dadurch nicht beeinträchtigt wird 10.

 

Contra-Argumente Post-View Conversion Tracking

  • Die Performance von Post-View Tracking kann prinzipiell nur sehr schlecht gemessen werden 2, 10, 5.
  • Werbemittel werden zum Teil gar nicht gesehen, da sie ganz am Ende der Seite oder gar in Popups platziert werden 10.
  • Die Cookie-Laufzeit ist zum Teil sehr lange eingestellt, was unrealistisch ist (> 60 Tage).
  • Missbrauchsgefahr: Manche Affiliates blenden sehr kleine Werbemittel oder Multibanner ein (in denen eine Vielzahl von kleinen Werbemitteln rotieren) 2.
  • User können ihre Cookies löschen, bevor die effektive Cookie-Laufzeit vorbei ist und dann wird die Conversion nicht mehr als Post-View Conversion der Kampagne gezählt 10.
  • «Gerätebruch»– User können das Produkt an einem anderen Computer kaufen, als auf dem sie das Werbemittel gesehen haben. Auch dann wird keine Post-View Conversion der Kampagne zugewiesen 10.

In der Grafik links (Grafik 4) ist ein vereinfachter Ablauf einer Werbemittelauslieferung an den User, von der Auftragserteilung bis hin zum Werbemittelkontakt, schematisch dargestellt. Die Grafik zeigt auf, dass sehr viele Parteien mit verschiedenen Interessen involviert sind.

Ablauf einer Werbemittelauslieferung
Grafik 4: Vereinfachter, schematischer Ablauf einer Werbemittelauslieferung von der Auftragserteilung bis zur Auslieferung beim User (Eigene Darstellung).

Wie schon in Kapitel 1 angetönt, scheiden sich die Geister, ob die Post-View Conversions tatsächlich mitberücksichtigt werden sollen oder nicht. Nachfolgend sind die wichtigsten Argumente Pro und Kontra einer Mitberücksichtigung aufgelistet. Die Argumente sind nicht als abschliessend zu betrachten.
 

Vorteilen der Mitberücksichtigung von Post-View Conversions
Tabelle 2: Auflistung von Vorteilen der Mitberücksichtigung von Post-View Conversions aus Sicht der verschiedenen Interessenparteien.

Eigene Erfahrungen bei Goldbach Interactive

Die Herausforderungen der Post-View Conversion-Messung sind auch bei Goldbach Interactive ein Thema. In Gesprächen mit Kunden tauchen immer wieder entsprechende Fragen auf. Welcher Anteil der Post-View Conversion kann tatsächlich der Online-Werbewirkung zugeschrieben werden? Welche Conversions sind eventuell sogar auf andere (Offline)-Kanäle (TV, Inserat, Print) zurückzuführen?

Einige Kunden wünschen aus diesem Grund – zusätzlich zur Visibilität – weitere Reportings. Denn, eine hohe Sichtbarkeit (Visibilität) der Werbemittel ist nicht durchgängig gegeben; oftmals liegen die Werte um die 50 Prozent, Bild-Text-Kombinationen nicht eingerechnet. Zusätzliche Reportings sollen weitere Insights für den Kunden generieren. Die Frage, ob eine Conversion (ob Lead oder Sale) diesem Werbemittelkontakt zugerechnet werden kann oder nicht und wenn ja zu welchem Anteil, bleibt trotzdem weitgehend ungeklärt.

Kunden argumentieren unter anderem, dass durch hohe Reichweiten der Kampagnen ein grosser Teil der Schweizer Internet-User durch Cookies markiert wird. So werden Online-Abschlüsse als Conversion der jeweiligen Kampagne gezählt, ohne dass nachgewiesen werden kann, dass der User das Werbemittel überhaupt gesehen hat. Deswegen hat Goldbach Interactive mögliche Massnahmen ergriffen, um die Sicherstellung einer guten Performance trotz möglicher tiefer Werbemittel-Visibilität zu gewährleisten (siehe Kapitel 4).

Sicherstellung einer guten Performance

Anhand des während der Kampagne erstellten Visibilität-Reportings wird entschieden, ob ein Netzwerk weiterläuft oder ob es weiter analysiert werden muss. Liegt die Werbemittel-Visibilität unter 50%, wird in einem zweiten Schritt erörtert, wie sich die Performance (Klick- und Conversionrate) eines Netzwerkes verhält. Ist die Performance gut, läuft das Netzwerk weiter. Ist die Performance, im Vergleich zu ähnlichen Kampagnen und internen Erfahrungswerten, stark unterdurchschnittlich und die Datenbasis des Netzwerkes schon gross genug, wird das Netzwerk gestoppt. Die Laufzeit, bis die entsprechende Datenbasis gross genug ist, kann je nach Werbedruck variieren. Eine konstante Optimierung wird durch Goldbach Interactive sowieso jederzeit sichergestellt. In der folgenden Abbildung (Grafik 5), ist dieser Ablauf schematisch dargestellt:

Sicherung der Performance trotz tiefer Visibilität
Grafik 5: Vereinfachte, schematische Übersicht eines standardisierten Prozesses zur Sicherstellung einer guten Performance trotz möglicher tiefer Werbemittel-Visibilität (Eigene Darstellung).

Weitere mögliche Lösungsansätze

  • Damit Werbetreibende nicht über den Tisch gezogen werden, sollten Post-View Conversions nur wenige Tage nach dem Werbemittelkontakt bei der Messung berücksichtigt werden. Nur so kann garantiert werden, dass das Kaufverhalten des Nutzers auf die ausgelieferte Display-Werbung zurückgeführt werden kann. Je nach Branche und Produkt muss die Cookie-Laufzeit jedoch stark variieren. Beispielsweise werden Online-Abschlüsse bei einem Kreditunternehmen tendenziell viel später nach dem ersten Werbemittelkontakt getätigt, als zum Beispiel für Schuhe oder Wein.
  • Post-View Cookies dürfen Post-Click Cookies nicht überschreiben.
  • Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine Testkampagne parallel zur laufenden Kampagne zu fahren. In der Testkampagne werden einer Kontrollgruppe ungebrandete Werbemittel eingeblendet – mit geringem Budget. So ist es möglich, den Anteil der Post-View Conversion bei der Kontrollgruppe von der Conversion-Rate der ursprünglichen Kampagne abzuziehen, um den effektiven Anteil der Post-View Conversions zu erhalten, die der Hauptkampagne zuzuordnen sind 8.
  • Mit Daten aus vorhergehenden Kampagnen kann eine Voraussage über den Prozentsatz der Post-View Conversions gemacht werden, die effektiv der Kampagne zuzuordnen sind.

Fazit

Momentan ist eine wirklich exakte Zurechenbarkeit von Post-View Conversions an die Online Performance noch nicht möglich. Zurzeit muss sich die Branche deshalb noch mit Schätzungen begnügen. Werte um 20 Prozent Post-View Conversions sind aktuell als realistisch zu betrachten. Die zukünftige Herausforderung liegt darin, einen Algorithmus für die anteilige und korrekte Berechnung der Post-View Conversions an den totalen Conversions zu entwickeln. Gelingt dies, wäre dies als Durchbruch zu werten.

Ob Post-Click oder Post-View – zurzeit gilt es spezifisch für jeden Kunden die optimale Lösung auszuarbeiten. Goldbach Interactive unterstützt Sie gerne dabei.
 
 
Quellen:

1. www.faktorkombinat.de
2. www.blog.smarter-ecommerce.com
3. www.marketing-boerse.de
4. www.gruenderszene.de
5. www.xelsionmedia.com
6. www.admonsters.com
7. www.blog.mediative.com
8. www.willhambly.com
9. www.comscore.com
10. www.wordstream.com
11. E. Lammenett: Praxiswissen Online-Marketing. GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006, S. 23ff.
12. www.support.google.com
13. www.de.wikipedia.org/Cookie
14. www.de.wikipedia.org/Konversion
15. www.pistonagency.com