Google’s Cookie Nebelkerze und der Sandkasten des Zögerns
Wie lange kann man die Zukunft herauszögern, bis man feststellt, dass man mit der Gegenwart eigentlich ganz zufrieden ist? Klingt etwas esoterisch, passt aber ganz gut, wenn man Googles kürzliche Entscheidung, Drittanbieter-Cookies vorerst in Chrome zu behalten, mal versucht zu verstehen. Besonders, wenn ich mir Kund:innen aber auch Kolleg:innen Anfragen aus der letzten Woche ansehe. Denn viele fragen sich, was bedeutet das alles jetzt? Aber lasst uns mal vorne beginnen…
Was ist passiert:
In seinem neuen Blogpost über Google Privacy Sandbox (Die Sandbox ist ein Rahmenwerk, das alternative Technologien entwickeln soll, um gezielte Werbung zu ermöglichen, ohne dabei die Privatsphäre der Nutzer zu beeinträchtigen) hat Google angekündigt, Drittanbieter-Cookies vorerst in Chrome weiterhin und auf unbestimmte Zeit zu erlauben, anstatt sie – wie bereits mehrfach angekündigt – vollständig zu entfernen. Vielmehr möchte Google in Zukunft neue Möglichkeiten zur Kontrolle schaffen. So weit, so gut, könnte man meinen. Der komplette Blogbeitrag handelt im Grunde darum, wie sehr Google sich selbst auf die Schulter klopft für seine Privacy Sandbox Initiative … und zwar so sehr, dass der eigentliche Punkt bzw. die Entscheidung zu Drittanbieter-Cookies ein einfacher Nebensatz wird.
„Anstatt Cookies von Drittanbietern abzuschaffen, würden wir in Chrome eine neue Möglichkeit einführen, mit der Nutzer:innen eine informierte Entscheidung für ihr gesamtes Surfverhalten treffen können.“
Die Sandbox funktioniert also so gut, dass Google nun den Eindruck erwecken will, eine Abschaffung von Drittanbieter-Cookies sei überflüssig. Der aktuelle Status Quo ist absolut ausreichend laut Ihnen.
Was bedeutet das für Agenturen und Kund:innen:
Vorweg, es ist noch zu früh, um mögliche Folgen und nächsten Schritte zu prognostizieren. Daher zunächst ein großer Disclaimer: Alles, was ich schreibe, sollte mit Vorsicht genossen werden bzw. dem sprichwörtlichen Grain of Salt!
Zunächst einmal sind das für uns und alle, die mit Onlinewerbung zu tun haben, erfreuliche Nachrichten. Es bedeutet weniger Kopfschmerzen, wie wir Kund:innen auf eine Welt ohne Drittanbieter-Cookies vorbereiten müssen. Bisherige Bestrebungen wie der Switch auf Server-Side-Tracking hatten bereits genug Vorteile gegenüber dem Status Quo gebracht (z.B. Umgehung von Adblockern etc.), was im Grunde bedeutet, dass wir unsere Strategie nicht noch weiter anpassen müssen. Für alle Kund:innen bedeutet das einfach: Ihr wart seit jeher auf dem richtigen Weg mit uns.
Auch die bisher von Google gezeigten Tools wie die neuen APIs in der Privacy Sandbox sind und bleiben zentral für heutige Marketer.
Des Weiteren wirkt sich die Entscheidung nicht auf die Wichtigkeit von First-Party-Daten aus. Denn auch wenn der Einsatz von Drittanbieter-Cookies nun nicht zu 100% wegfällt, hat die Datenqualität, die durch diese Cookies generiert wurde, schon seit Jahren Bauchschmerzen bereitet. Man könnte also heute sagen, dass der aktuelle Status quo erstmal eingefroren wurde.
Außerdem muss angemerkt werden, dass andere Browser Drittanbieter-Cookies in der Vergangenheit bereits de facto abgeschafft oder entwertet haben, und obwohl Google hier nun einen Rückzieher andeutet, bleibt abzuwarten, wie der Markt als Ganzes reagieren wird.
Mögliche Auswirkungen (Vorsicht Spekulationen):
Was mir aktuell etwas Kopfzerbrechen bereitet, sind diese „neuen Möglichkeiten“, mit der Nutzer:innen eine informierte Entscheidung für ihr gesamtes Surfverhalten treffen können. Bedeutet das etwa das die Einwilligung und die Pflicht zur Informationsübermittlung Richtung Browser gelegt werden?
Um das zu beantworten, müssen wir nochmal kontextualisieren, warum Google so sehr mit dem Phase Out gekämpft hat. Denn die Entscheidung zu dieser Maßnahme war keine leichte, wenn die eigene Wirtschaftlichkeit auf dem Spiel steht. Google hat in jüngster Vergangenheit viele Produkt-Offensiven verfolgt, um die Folgen einer Abschaltung von Drittanbieter-Cookies zu minimieren bzw. zu kompensieren. Dazu gehörten unter anderem der Consent Mode, der benötigt wird, um eine Datenerfassung von „nicht personenbezogenen“ Metadaten zu einem Webseitenbesuch zu ermöglichen, falls ein negativer Consent registriert wurde (um danach seine KI auf diese Daten loszulassen). Ebenso gehörte dazu das Enhanced Conversion Tracking, das dafür sorgt, dass Nutzer, die Conversions tätigen, mit dem Google-Adressbestand gematched werden können.
Diese Technologien sind essenziell, um die Notwendigkeit von Drittanbieter-Cookies im eigenen Stack zu relativieren und wurden von Google auch seit jeher als Antwort auf die europäischen Einschränkungen im Datenschutz gesehen. Egal welchen Google Mitarbeiter man zur DSGVO gefragt hat, die Antwort dazu hat eigentlich immer diese zwei Technologien als Lösung benannt.
Einziges Problem dabei: die Adoptionsrate.
Wie wir bei uns im Team bereits oft feststellen mussten, waren Endkund:innen oftmals hoffnungslos verloren, diese Technologie selbstständig zu implementieren. Endkund:innen benötigten fast immer externe Hilfe, um ihnen den Einbau oft überhaupt erst zu ermöglichen. Google sieht das! Zwanghaft auferlegte Adoptionen von neuen Technologien sind ein riskantes Unterfangen, das leider viel zu lange Zeit in Anspruch nehmen, da man das operative Doing aus der eigenen Hand gibt. Der breite Werbemarkt hat einfach nicht die nötigen Ressourcen, um neue Technologien kundenseitig schnell zu erklären und einsetzbar zu machen und nicht jeder Kunde hat überhaupt externe Hilfen wie eine Agentur…. und nicht jede Agentur hat die richtige Expertise, um hier zu unterstützen. Gerade wenn es um Technologien geht, die im Grunde im aktuellen datenschutzrechtlichen Kontext erstmal zu erörtern sind. Europäisch ausgebildete Datenschutzbeauftragte sind fast immer konservativ unterwegs und winken neue Ideen von großen US-amerikanischen Technologiekonzernen erstmal grundsätzlich ab, bevor sie das Risiko eingehen wollen oder gezwungen werden sich die Tools näher anzuschauen.
Diese „neuen Möglichkeiten“, die hier geteasert werden, dürften also die eine oder andere Augenbraue nach oben schießen lassen. Hier kann man viele Interpretation zulassen. Reden wir von Consent-Entscheidungen im Browser? Wenn ja, kann das z.B. bedeuten den Apple/Safari-Weg zu gehen, was wiederum einem generellen Abschalten von jeglichem für uns und Google nützlichen Datenverkehr im Tracking gleichkommt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Google hier mit Apple gleichziehen würde, und zwar aus denselben Gründen, warum ein Rückzieher bei den Drittanbieter-Cookies gemacht wird.
Vielleicht bedeutet es aber auch nur die für Enduser nervigen Consentbanner neutral in den Browser zu ziehen… Sicherlich der Albtraum jedes Anbieters von Consent-Management-Plattformen, aber auch etwas, das alle europäischen Datenschützer sofort auf die Palme bringen würde. Wenn es jedoch dafür sorgt, dass Consent über Länder und Webseiten hinweg einheitlicher funktioniert, könnte es die Surferfahrung für Millionen von Nutzern auf der ganzen Welt wieder verbessern und zeitgleich Google so viele Freiheiten in der Ausgestaltung dieser Technologie geben, das am Ende Cookies womöglich wirklich egal sind. Aber wie realistisch ist es, wenn ein einziger Browserhersteller so eine Kontrolle über die Datennutzung erhalten würde und damit quasi die Machtverhältnisse im digitalen Werbemarkt verschiebt. Zumindest ein interessantes Gedankenexperiment und etwas, das vielleicht als Zielvorstellung nicht mal so unrealistisch erscheint, wenn wir sehen, wie aggressiv Apple sich gerade in seinen Werbekampagnen als der Good Guy im Datenschutz positionieren möchte. Ein Schelm, wer hierbei Böses denkt!
Was Google auch immer plant in Chrome als nächstes umzusetzen bleibt abzuwarten. Die Spannung ist groß!
Was bleibt?
1. Synergien: Egal was Google und Co. auch entscheiden, die europäischen und weltweiten Bestrebungen Richtung Datenschutz werden sich auf absehbare Zeit nicht lockern. Das heißt, Kund:innen sollten weiterhin in moderne, datenschutzorientierte Marketing-Technologien investieren. Ein großer Teil der Werbelandschaft funktioniert bereits jetzt, auch ohne Drittanbieter-Cookies, und stützt sich auf den Einsatz von First-Party-Daten. Je mehr Möglichkeiten uns bleiben, um unsere Werbebotschaften an die richtigen Personen zu bringen, desto besser. Wenn wir in der Mediaplanung also auf die Vorteile von Third- und First-Party-Technologien zusammensetzen können, klingt das erstmal ganz okay!
2. Technologien: Google investiert weiterhin in die Privacy Sandbox und hat noch große Dinge geplant. Unsere Branche entwickelt sich rasant weiter, und das müssen wir auch! Was immer Google in Zukunft hier entwickeln wird, ist schön und gut. Aber auch wir müssen an den neutraleren Strategien wie dem Einsatz von First-Party-Strategien und Server-Side-Tracking festhalten. Google ist nicht das ganze Internet, auch wenn das oft vergessen wird.
3. Support: Wir als Agentur verpflichten uns, unsere Kund:innen mit dem Fachwissen und den Tools zu unterstützen, die benötigt werden, um jedwede Veränderungen erfolgreich zu meistern! Unser Ziel ist es nach wie vor, Online-Werbung und Datenschutz nicht gegeneinander auszuspielen, sondern in Einklang zu bringen, um die Datenqualität zu verbessern, während wir aktuelle und zukünftige Datenschutzanforderungen noch besser erfüllen.
Kurzfristig bedeutet Googles Entscheidung eine gewisse Entlastung und Planungssicherheit für Unternehmen. Bisherige Strategien, wie der Einsatz von Server-Side-Tracking und der Fokus auf First-Party-Daten, bleiben weiterhin relevant. Allerdings wirft die langfristige Ausrichtung der Privacy Sandbox viele Fragen auf. Während Google betont, dass Nutze:innen mehr Kontrolle über ihre Daten erhalten sollen, sind die genauen Auswirkungen auf die digitale Werbung noch unklar.
Für kleine und mittlere Unternehmen stellt sich immer die Frage, inwieweit sie neue Technologien implementieren können und welche Kosten damit verbunden sind. Sollte der Browser hier bald die Lösung sein, ist das vielleicht angenehm für Kund:innen, die sich bisher keine externe Hilfe leisten können, allerdings wird das vielen Parteien ein Dorn im Auge sein und letztendlich könnten sich Datenschutzbestimmungen in der EU und anderen Regionen weiter verschärfen, was wieder neue und zusätzliche Herausforderungen mit sich bringt.
Lasst uns also weiterhin innovativ sein!
Wenn ihr Support beim Thema Tracking und First- oder Thrid-Party-Daten braucht, meldet euch bei uns!