Digitaler Donner: einen Shitstorm richtig navigieren

Jede Person und jedes Unternehmen, läuft Gefahr, einen Shitstorm auszulösen. Die Ursache dafür kann sowohl in der digitalen als auch in der analogen Welt liegen – doch am Ende erreicht die Welle der Empörung nahezu immer das Internet. Ein einzelner Beitrag reicht oft aus, um eine Lawine loszutreten, die eine immense Herausforderung für die Betroffenen darstellt.
Was ist eine Krise oder ein Shitstorm – und warum ist es so wichtig, darauf vorbereitet zu sein?
Was versteht man unter einem „Shitstorm“?
Eine Krise wird allgemein als eine instabile Phase mit erheblicher Unsicherheit und Schwierigkeiten beschrieben. Dadurch ergibt sich der Zwang, dringend zu handeln, um die Krise abzuwenden und den Ruf des Unternehmens zu sichern.
Ein Shitstorm ist ein regelrechter Sturm der Entrüstung im digitalen Raum und auf sozialen Onlineplattformen. Der Sturm richtet sich gegen einzelne Personen oder ganze Unternehmen und kann dabei auch ausarten. In diesem Zusammenhang spricht man auch oft von der „Cancel Culture“.
„Cancel Culture“ bedeutet, dass man berühmten Personen oder Unternehmen, die Unterstützung entzieht oder ihnen sogar den Kampf ansagt. Dieser Kampf kann in Form von Angriffen online stattfinden, was auf einen Shitstorm hinauslaufen kann.
In den sozialen Netzwerken kann eine Krise viele Formen annehmen. Ob es negative Kommentare unter dem eigens veröffentlichten Posting sind, ein Video einer dritten Person, die sich auf ihrem eigenen Kanal zu Wort meldet oder eine Diskussion unter einem anderen Posting – ein Shitstorm wirkt sich in den meisten Fällen negativ auf den Ruf eines Unternehmens aus. Vor allem dann, wenn nicht oder schlecht darauf reagiert wird.
Was sind die Ursachen eines Shitstorms?
Jeder Shitstorm hat einen Auslöser – ein Ereignis, das alles in Rollen bringt. Die Gründe einer Social Media Krise können sehr vielfältig sein. Von Fehltritten seitens Verantwortlichen oder Mitarbeiter:innen, über misslungene oder anstößiger Werbung bis hin zu Kommunikationsfehler. Sogar ein Missverständnis oder sogenannte „Fake News“, also Fehlinformationen, können der Ausgangspunkt für einen Shitstorm sein.
Der Auslöser einer Social Media Krise muss allerdings nicht zwangsläufig mit einem Online-Posting verbunden sein. Auch Fehlverhalten außerhalb der digitalen Welt können schnell auf Social Media übergreifen und dort für heftige Reaktionen sorgen.
Zu einer besonderen Herausforderung wird es dann, wenn der Ursprung eines Shitstorms nicht auf der eigenen Seite, sondern auf der Seite Dritter entsteht. In solchen Fällen verstreicht wertvolle Zeit, bis die Krise überhaupt erkannt wird. So wird das Eindämmen der negativen Stimmung der User:innen noch schwieriger. Deshalb ist es unvermeidbar für ein Unternehmen, gutes Social Listening zu betreiben. Das bedeutet, dass mithilfe von Tools die Stimmung auf verschiedenen Plattformen in Zusammenhang mit dem Unternehmen beobachtet wird. Durch diese Erkenntnisse und ständige Beobachtung, können aufkeimende Krisen schneller bemerkt werden und die Reaktionszeit verkürzt sich.
Wie geht man mit der Krise um?
Vor der Krise: Vorsorge
Damit man im Falle einer Krise nicht unvorbereitet ist und unüberlegte Entscheidungen trifft, lohnt es sich, Zeit zu investieren und einen Plan für den Ernstfall zu erstellen. Das Ziel ist es, mögliche Krisen frühzeitig zu identifizieren und gezielt vorzubeugen.
Im Zuge dieser Vorbereitung sollten etwa Zuständigkeiten geregelt werden, damit man im Ernstfall weiß, wer die Entscheidungen zu treffen hat. Es kann auch hilfreich sein, vorgefertigte Antworten auf häufige Beschwerden zu formulieren, um in den Kommentaren konsistent und sachlich zu reagieren. So werden alle mit denselben Informationen versorgt, und es kommt nicht zu emotionalen oder widersprüchlichen Reaktionen.
Dieser kann intern oder im Zusammenhang mit der zuständigen Media Agentur erstellt werden. Wichtig ist, dass Entscheidungsträger im Ernstfall schnell handeln können, da Zeit in einer Krise ein entscheidender Faktor ist.
Während der Krise: Bewältigung
In jeder Krisensituation ist es entscheidend, einen klaren Kopf zu bewahren. Mit zunehmender Erfahrung im Umgang mit Social-Media-Krisen und Shitstorms im Internet lernt man, die Entwicklung der Situation besser abzuschätzen. Manchmal ist es nur eine kurze Aufregung, die schnell wieder abklingt. In anderen Fällen kann ein einzelner Kommentar eine Welle der Empörung auslösen. Ein durchdachtes und gut organisiertes Krisenmanagement hilft dabei, die Auswirkungen einer eingetretenen Krise so gering wie möglich zu halten.
Entscheidungen sollten jedoch niemals überstürzt getroffen werden. Es ist wichtig, das Feedback und die Kritik ernst zu nehmen und schnell zu reagieren. Dabei sollte stets eine professionelle und freundliche Ausdrucksweise gewahrt werden, ohne sich auf hitzige Diskussionen in den Kommentaren einzulassen.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass auch eine Kundenbeschwerde, die falsch oder nicht zur Zufriedenheit des Kunden geklärt wurde, eine Krise auslösen kann. Wenn der Kunde sich falsch verstanden fühlt oder auf taube Ohren bei der Beschwerde stößt, kann dies dazu führen, dass er sich aus Verzweiflung an die Öffentlichkeit wendet, um auf das wahrgenommene Unrecht aufmerksam zu machen.
Ein durchgängiges Monitoring der Krise und eine Analyse der Medienberichterstattung kann im Anschluss dabei helfen, die Krise besser zu verstehen. Bei Bedarf können hier auch externe Dienstleister hinzugezogen werden.
Nach der Krise: Nachsorge
Jede Krise bietet die Chance, daraus zu lernen: Was war der Auslöser? Und wie lassen sich ähnliche Situationen in der Zukunft verhindern? Nach der Krise beginnt die wichtige Phase der Nachbereitung. In diesem Schritt steht die detaillierte Analyse des Krisenverlaufs und des Krisenmanagements im Fokus.
Die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es, Präventionsmaßnahmen zu verbessern und bestehende Krisenpläne zu optimieren. Dabei sollte auch das Feedback der Stakeholder einbezogen werden, um Prozesse der Krisenbewältigung kritisch zu hinterfragen und nachhaltig weiterzuentwickeln.
Beispiele für Social Media Krisen und Shitstorms
- „United breaks guitars“
Ein Passagier der amerikanischen Airline United beschwerte sich darüber, dass seine Gitarre während des Fluges beschädigt wurde. Unzufrieden mit der Reaktion auf seine Beschwerde und enttäuscht von der mangelnden Entschädigung, entschloss sich der verärgerte Kunde, ein Country-Sänger, einen Song zu schreiben und ihn auf YouTube zu veröffentlichen. Das Video erzielte mittlerweile 25 Millionen Aufrufe und löste eine weit größere Krise für die Airline aus, als es die ursprüngliche Kundenbeschwerde je getan hätte.
- Balenciaga 2022
Im Jahr 2022 geriet die Modemarke Balenciaga in heftige Kritik. Für ihre Weihnachtskampagne ließ das Luxuslabel Kinder in Bondage-Kleidung mit Plüschtieren posieren. Zudem wurden für die Fotos der Frühling-Sommer-Kollektion originale Gerichtsdokumente des Supreme Court zum Thema Kinderpornografie verwendet. Nach einem massiven Shitstorm zog das Unternehmen beide Kampagnen zurück. In einer öffentlichen Erklärung kündigte Balenciaga an, künftig mit Organisationen im Kampf gegen Kindesmissbrauch zusammenzuarbeiten.
- Ellen DeGeneres
Im Jahr 2020 kam es zu einer Flut von Beschwerden von Mitarbeiter:innen der Talk Show Hostess Ellen DeGeneres. Stimmen über ein toxisches Arbeitsumfeld und Fehlverhalten am Set ihrerseits wurden laut. Sogar einige ehemalige Gäste äußerten sich negativ über den Star. Eine Entschuldigung folgte, doch auch diese wurde wieder zum Auslöser eines weiteren Shitstorms. Die Show endete im Jahr 2022.
- Coca-Cola Weihnachtsspot 2024
Seit Jahrzehnten ist Coca-Cola für seinen traditionellen Weihnachtsspot bekannt. Im vergangenen Jahr jedoch setzte das Unternehmen erstmals Künstliche Intelligenz für die Produktion des Spots ein – eine Entscheidung, die bei den Fans auf heftige Kritik stieß. Viele User:innen bemängelten, dass der Spot künstlich wirke und forderten, Coca-Cola solle lieber mehr in einen echten, authentischen Spot investieren.
Quellen:
- safeREACH Glossar „Krise“
- Marketing Fuchs Artikel „Social Media Krisenmanagement“
- Ionos Artikel „Shitstorm – PR-Katastrophen im Netz“
- Gabler Wirtschaftslexikon „Shitstorm“
- Prevency Artikel „Warum ist Social Media-Krisenkommunikation wichtig?“
- Stern Artikel „‚Es war unangemessen‘: Kreativdirektor von Balenciaga äußert sich zu umstrittener Kinder-Kampagne“